Es verschwimmen die Grenzen. Deine Arme, deine Beine, deine
Stimme und auch deine Blicke sind mir zu nah, kreuzen und berühren mich. Ich
fühle mich unwohl an Orten meines Körpers, die weit über meine Hautgrenzen
hinausreichen. Ich ranke aus mir selbst heraus mit all dem Unwohlsein.
Du gehst durch den Raum und ohne dass du es bemerkst, reihst
du Ängste in mir auf. Eine nach der anderen nehmen sie Gestalt an. Zorn- und
Wutgestalten. Alle Ängste sind kostümiert und du wählst das ausgefallenste
Kostüm, kürst es zur Verkleidung des
Tages und alles in mir beginnt zu schäumen. Ich schäume über, schäume aus Ecken
und Kanten, Öffnungen und Hoffnungen meines Körpers, meiner selbst heraus. Ich
überschäume mich vor deinen Augen.
Es verschwimmen die Grenzen.
Der Herbst brach in den Sommer. Meine Kleider rissen am Saum,
meine Füße zeigen weiße Stellen nur da, wo die Sandalen die Schnüre banden. Mein
Bauch zeigt Wölbungen und die Stimmen im Rücken nennen Frauen in meinem Alter „ältere
Damen“. Ich werde zu früh gebären. Ich werde im Inkubator liegen und irgendwer
steht davor und guckt und guckt und berührt mich, als berührte er oder sie
meine Ängste. Nichts als Ängste, die dort intubiert und künstlich ernährt
werden. Das Alter schützt dich nicht, sage ich zu mir als glaubte ich das
nicht. Ich sage das und baue mir ein Nest aus Jahresringen. Ringe, die mich in
meinen Grenzen halten.
Und dann sehe ich dich. Rieche deine Bewegungen, schmecke
deine Sprache, deine Stimme, die immer nur tönen. In meinen Ohren immer nur
tönen. Und wenn ich wollte, könnte ich dich intubieren, deine Stimmlippen nicht
zu umgehen. Und dann … . Vielleicht
wärest du ein klein wenig leiser. So ein klein wenig leise, dass sich meine
Ängste nicht mehr von dir aufreihen ließen, so stimmlos wie du deine Befehle
gäbest.
Die ältere Dame, die ich dann unkostümiert vor die stände,
diese ältere Dame lächelte dann. Schaute dir ins Kindergesicht und würde nichts
anderes tun als lächeln. Das sei die Gelassenheit des Alters, könnte ich
denken, die Gelassenheit der Ruhe und Erfahrung, würde ich sagen. Komm du erst einmal
dorthin, oder komm du erst einmal dort an, wo ich jetzt bereits stehe, würde
ich an dein Inkubatorglas klopfend sagen können. Doch ich denke, ich würde
nichts sagen, nur gucken und staunen und gucken und staunen, wie eine so kleine
Gestalt, so eine Größe hatte annehmen können.
Ich sehe dich und ziehe Hautschicht für Hautschicht meine
Grenzen.
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