Sagst so kleine Dinge mit deinem so
großen Mund. Ich stehe dir gegenüber und lausche, lausche an Wänden und Fenstern,
lausche durch die geöffnete Tür, lausche durch die Worte und Sätze und Seufzer
der anderen, den kleinen Dingen nach, die du sagst. So nebenher, so einfach aus
deinem Mund heraus. So einfach hervor und heraus als wäre dabei nichts. Nichts dabei
und nicht davor und überhaupt, als wären diese kleinen Dinge nichts. Die Dinge,
denen ich so gern nachlausche, während du dein schwarzes Haar zu blonden Locken
drehst. Drehst und kurbelst, als gelte dein Finger das Drehen der Welt.
Und während ich das schreibe, weil
ich dieses Lauschen beschreiben möchte, vergesse ich die Pizza im Ofen. Und
dass Essen nur Nahrungsaufnahme ist und nicht mehr. Das hast du mir
vorgeworfen. Dass ich nicht des Genusses wegen essen kann. Und dann denke ich
daran, wie andere das Essen mit Worten besticken. Worte, die mir das Essen des
Genusses wegen nicht leichter machen. Ich rieche die verbrannte Pizza, die ich
im Ofen vergesse, während ich hier schreibe. Ich rieche und denke an den Genuss
der Worte. Und dass ich kein Essen, mit nicht schmackhaften Worten bestickt,
genießen kann. Genießen werde.
Du drehst dein Haar und die Welt
gerät an keinem Pol aus den Fugen. Nur das Rentier ist ohne Gehörn. Das sagtest du. Das Rentier habe nun gar kein Geweih mehr. Ich hörte dich das
sagen und versuchte mich an ein Gespräch über Rentiere zu erinnern. Ich erinnerte
mich an den Unfall vom Vortag. Schwer und mit ganztägiger Sperrung der
Autobahn. War da ein Rentier verwickelt? Ich suchte nach der Verzweigung
zwischen uns und dem Rentier. Geschichten bilden sich aus, schlagen Zweige in
meinen Gehirnrinden.
Das Klima ist andernorts von deinem
Haargedreh nicht beeinflusst. Und ich weiß, dass meine Wortwahl nicht die Wahl
jedermanns ist. Wie ich keine Genussesserin bin. Niemals des Genusses wegen?
Ich stehe dir gegenüber während all
des Lauschens. Die Menschen wissen selten um den Lärm, den sie ausstrahlen. Oder
sie wissen es doch. Und während ich das Summen des Stroms in den Wänden höre,
während ich die Worte der übrigen Lärmstrahler sortiere, während ich meine Gedanken
prüfe und auf ihre Gewichtigkeit - ob das Aussprechen lohnt - abwäge, lausche
ich deinen kleinen Dingen. Ich hätte mehr sagen sollen, denke ich dann manchmal
abends. Doch dann denke ich auch, dass du mich fragen würdest, würdest du meine
Gedanken ausgesprochen hören wollen. Ich denke, dass die Menschen fragen würden
oder einen wortlosen Augenblick gäben, den anderen oder mich zur Aussprache
kommen zu lassen. So viel Gerede. Ein Sprach- und Ton-, mein Befundungstraum.
Meine Defizitbefundung
Nicht Small-Talk-fähig - Kein adäquates
Spruch- & Witzerepertoire - Mangelende
Aussagekraft – bedarf aktiver Nachfrage
zur Gedankenäußerung - Rückzug- und Denktendenzen - Aktives Herausnehmen/Einschränken
aus/von Wahrnehmungsprozessen - Überempfindlichkeit Lärm gegenüber – Wortverliebtheit
- Überschätzung der eigenen Fähigkeiten – Kritisierlustig - ….
Ressourcen
Werden zwischen Tür und Angel geheftet
und wahrgenommen. Eher so nebenher. Wie das Atmen. Du weißt das.
Und diejenigen, die Geschichten
lesen wollen, werden wahrscheinlich nicht bis zu dieser Zeile gelesen haben.
Ich schreibe keine Geschichten. Wer weiß das denn nicht? Wer hier liest, weiß:
hier werden keine Geschichten gelesen.
Oder?
Das sieht man doch.
Oder?
Also: Es war einmal ein Rentier .... (Fortsetzung folgt)
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