Sonntag, 3. Mai 2015

Dass man in das Herz seitwärts her hineinlangt und sich verschlossene Wege einfach öffnet, wusste ich nicht. Mit einem Blasebalg wird sich Zutritt verschafft und dann werden Gitter gespannt, den Weg offen zu halten. Ich lege mich nur in die Gegend deiner Leisten, diesen leisen Wegen, dort lege ich mich hin und höre, wie etwas durch deinen Körper hindurch und bis hin zu deinem Herzen gelangt. Dort, in deiner Leistengegend kann man sich Zutritt verschaffen. 

Bevor ich wusste, wie schnell und wie es mechanisch machbar ist, hatte ich gedacht, es würde viel Zeit und Geduld in Anspruch nehmen, an dein Herz zu reichen. Es würde mich Mühe kosten, hatte ich geglaubt. Und nun liege ich in dieser Gegend, von der aus es so einfach sein soll.

Die Russen nehmen sich einfach, was sie wollen. Sagst du und drückst solange auf einen Knopf der Fernbedienung bis die Stimme des Reportes den Raum erfüllt. Steht der irgendwo an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine und brüllt bis hierher. Wann du aufgehört hast, leise zu sein, Mutter, das weiß ich nicht mehr. Seit einem Jahr gucken wir doch alle nur zu, als ginge uns das alles  nichts an. Aber was geht’s mich an, fragst du und erwartest keine Antwort. Brüllte der Fernseher nicht so, würde ich vielleicht etwas von deinem Herzschlag hören. Entweder dieses kurze BUM oder das etwas längere und schwächere BUMBUM. 

Und die mit ihrem Pegida. Alles Idioten. Arschlöcher. Jetzt brüllst du über die Stimme des Nachrichtensprechers und ich erinnere mich, statt deines Herzens immer nur deinen Mund wahrgenommen zu haben. Als wüssten die irgendwas, Drecksbande. Dann drückst du wieder einen Knopf der Fernbedienung und wechselst den Sender. Der Lärm schlägt um. Ich suche weiterhin den Ort deiner leisen Leisten, suche neben dem Lärm auf das zu hören, was ich von dir nie gehört habe. Dieses Bum Bumbum.

Wenn du jetzt stillhalten wirst, Mutter, dann werde ich durch deine Leistengegend in die Vene vorstoßen. Dort einmal angekommen, folge ich nur der Richtung, folge bis hin zu deinem Herzen, und dort blase ich alle zu engen Räume auf, weite alle Zugänge und mache sie trittsicher. Nur einmal heran an dein Herz, Mutter, möchte ich.

Alles Betrüger schreist du und wirfst die Fernbedienung gegen das Fernsehgerät, stehst mit einem Ruck aus deinem Sessel auf, unbedacht dessen, das ich da liege, dass ich meinen Kopf an deinen Körper lehnte, stehst auf und schreist und ich überlege, wie lange ich auf deinen zweiten Herzinfarkt werde warten müssen, und wie es mir dann gelingen wird können, an dein vernachlässigtes Herz zu langen.

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