Freitag, 4. Juli 2014


Ich saß mit Einer, die des Wilderns wegen in die Wälder gegangen war. Wir saßen und sie trank, obwohl sie schon getrunken hatte, bevor wir zusammen saßen. Wir saßen, sie trank und ich wusste nicht die Flasche Bier mit den Zähnen zu öffnen. Es gibt Frauen, die können das. Die machen das. Eine Bierflasche, den Kronkorken mit den Zähnen von der Flasche lösen und so die Flasche öffnen. Ich wusste nicht, wie die Frauen das machen und schaute nur, die vom Bier gekühlte Flasche in den Händen.

Wenn eine, die des Wilderns wegen in die Wälder gegangen ist, beginnt von Liebe zu sprechen, wird es ganz komisch. Mir wurde komisch. Vielleicht auch, weil ich das Wort Liebe nicht mit etwas in Zusammenhang bringen kann, was mit dem Wildern einhergeht. Ich bringe ungern Dinge zusammen. Ich habe ja auch selbst kaum Verständnis für Liebe. Für Zuneigung und Zugetansein. Ich habe kaum Gefühl für die Nähe zwischen den Menschen.

Ich gab die geschlossene Flasche, die vom Bier nicht mehr ganz durchgekühlt schien, zurück an die Eine, mit der ich da saß. Sie nahm sie, fletschte die Zähne, und die gespannte Haut über meiner Wirbelsäule begann sich in Erwartung des Unfassbaren zu kräuseln. Aber die Wilderin setzte den Kronkorken nicht an ihre weißen Zähne. Sie öffnete von mir ungesehen die Falsche mit den Fingern. Wer Hühnerhälse bricht, dachte ich, für den ist ein Kronkorken ein Kinderspiel.

Ich begann auf die Nähe zwischen der Wilderin und mir zu achten.

Entortet. Sagte ich ihr. Ich fühle mich entortet. Ich wäre nicht länger vor Ort und Stelle ansprechbar, sagte ich, und dass ich ohne Punkt auf weiter Flur wäre. Ein wenig verloren vielleicht, ein wenig 

o r t s u n a n s ä s s i g.

Und das sowohl da Draußen, wo ich mit der Wilderin saß als auch ganz Innen, wo ich mit mir allein bin. Das wäre genau so, sagte ich und die Wilderin setzte sich den Flaschenmund auf die eigenen Lippen. Und ich wartete auf ein Geräusch, ein Geräusch wie das Hühnerhalsumdrehen.

Die Wilderin nickte mir zu und also sprach ich weiter, während sie wieder nur trank. Ich klopfe, sagte ich, ich klopfe mich ab. Wie man Schmutz oder ungewollte Schuld von der eigenen Schürze klopft. Oder wie Menschen schlechte Gedanken und Atmen- und Herzrhythmusstörung wegklopfen. Ich klopfe mich von der Haut bis auf die Knochen ab. Oder auch frei. Mich von Haut und Knochen frei. Und ich sei in großer Erwartung, was da bleiben würde. Oder kommen würde. Abhanden.

Oder. …

Und ob sie noch erinnere, weswegen sie in den Wald gegangen sei, fragte ich die Wilderin. Die nur den Flaschenmund an ihre Lippen ließ. Und ob sie im Wildern ansässig geworden sei. Die Frage stellte ich ihr, während ich auf die Nähe zwischen der Wilderin und mir achtete. Zuviel Nähe, bedeutet zu wenig Distanz. Und ich merkte, wie ich dafür einfach kein Gefühl finden konnte. Also beließ ich es bei den Bezeichnungen der Dinge, ihren Ursachen und dessen Folgen, achtete aber weiterhin darauf.



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